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Die lange Nacht des Mittelstands: Mittelstand im Fokus

Klartext: Das war die lange Nacht des Mittelstandes

Neue Wege gehen, sich neu erfinden und die Veränderungen durch die Digitalisierung aktiv gestalten. Darin waren sich über 15 Unternehmer/-innen und Persönlichkeiten aus Politik und Verbänden einig und gaben Einblicke, was es bedeutet, zu agieren, aktiv mutige Entscheidungen zu treffen und neue digitale Wege einzuschlagen.

Was bedeutet das im Klartext:


„Das Schlagwort lautet ,Disrupt yourself‘, stelle alles auf den Prüfstand. KMUs sollten sich fragen: Ist mein Produkt auch für andere Märkte spannend, wie muss ich mich vermarkten?“ Das sagt Dorothee Bär, Staatsministerin und Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung.


Doch was heißt das konkret für Branchen, deren Geschäftsmodelle plötzlich nicht mehr greifen?

„Es kommt darauf an, die Menschen mitzunehmen“: So hat es Sarah Hulten, Inhaberin Sarah Hulten Weine, geschafft, große Teile des Weinvertriebs zu digitalisieren, Kunden weiterhin zu bedienen und darüber hinaus neue Zielgruppen zu erschließen. Ihr Tipp: „Betreibt Benchmarking und schaut, wie machen andere Unternehmen in anderen Branchen etwas gut und wie kann man das für sich umsetzen.“


Das war auch die Herausforderung für Niko Romm, Personal Trainer und Leiter eines Fitnessstudios.

Er lenkte den Blick auf das, was sein Produkt ausmacht, denn Gesundheit geht über räumliche Grenzen hinaus, ebenso wie Digitalisierung. Das war der Anstoß, Teile seines Angebotes zu digitalisieren und damit seine Kunden auch weiterhin fit zu halten, denn „das Produkt muss innovativ bleiben, [und] man selbst darf nie stehen bleiben“.

Innovatives Denken heißt auch, ein Homeoffice „away from home” zur Verfügung zu stellen, meint Grit Pauling, General Manager, 25hours Hotel Köln. Ihr neues Angebot: „Wir haben Zimmer im ersten Lockdown als Homeoffice-Zimmer angeboten.“ Damit hat sie eine Perspektive für diejenigen geschaffen, die zu Hause kein produktives Arbeitsumfeld hatten. Doch sie geht noch einen Schritt weiter, erarbeitet neue Konzepte und hat eine klare Forderung in der aktuellen Situation: „Wir brauchen von der Politik Perspektiven, die sich umsetzen lassen. Wir brauchen die Chance, zeigen zu können, dass es bei uns sicher ist.“


In diesen drei Talks wird deutlich, „[…] dass für den Mittelstand der Druck zur Digitalisierung gestiegen ist. Die Wertschöpfungsketten haben sich digitalisiert und wer nicht mitmacht, fällt raus. Digitale Transformation: Einfach mal loslegen, nicht zaudern und zögern, an die Themen rangehen und überlegen, wie man sein Geschäftsmodell digitalisieren kann. Es gibt […] viele Möglichkeiten.“ So äußert sich Philipp Depiereux, Unternehmer, ChangeRider.


Die Möglichkeiten der Digitalisierung sind im deutschen Mittelstand bereits bekannt und werden genutzt. „Der deutsche Mittelstand war immer der Treiber der deutschen Wirtschaft und schon immer innovativ“, meint Katharina Hölzle, Expertenkommission Forschung und Innovation. Nicht umsonst hat Deutschland die meisten Hidden Champions.


Orthopädietechnik W. Jaeger ist eines dieser hochinnovativen Unternehmen.


Die Erfolgsgeschichte: ein Knie aus dem 3D-Drucker, made in Germany. „[Die] Entwicklung mit 3D-Druck ging zunächst langsam, aber jetzt erzielen wir mit zunehmender Geschwindigkeit große Fortschritte – ein echter Quantensprung“, berichtet Martin Jaeger, CEO, darüber, wie aus einer Vision ein Produkt entsteht, das bis ins letzte Detail perfekt auf den Kunden abgestimmt ist. Die Digitalisierung der Orthopädie, eine echte Vorreiterrolle, hochspezialisiert und mit einzigartigem Know-how. So einzigartig, dass Forschungseinrichtungen und Universitäten Schlange stehen und noch einiges lernen können. Es zeigt sich: „Auf vielen der Gebiete sind wir federführend, aber niemand weiß es.“ So die Meinung von Prof. Dr. Dr. Hermann Simon, Unternehmensberater und emeritierter Wirtschaftsprofessor.


Welche Weichen müssen gestellt werden, um die Aufmerksamkeit auf digitale Vorreiter zu lenken und ein Umdenken zu ermöglichen?


Allem voran: „Relevanter ist, dass sich das Bewusstsein ändert“, so Olaf Gehrels, coboworx. Insbesondere im Bereich der Roboterautomatisierungen und darüber hinaus in allen Branchen.


Der Gründerkultur mit Handbremse entgegenwirken – dazu Prof. Dr. Ada Pellert, Digitalrat der Bundesregierung: „Wir brauchen eine neue Welle des digitalen Gründertums, das hat mit Mindsets und Ermutigungen zu tun. Wir müssen die Menschen begleiten, da müssen die Rahmenbedingungen passen. […] Wir müssen auf breiter Ebene die Möglichkeiten der Technologien sehen und lernen, dann werden wir Erfolg haben. Wenn wir die Herausforderungen gut bewältigen wollen, müssen wir den Menschen zunächst ihre Möglichkeiten darlegen.“

Ein weiterer Punkt: „Wir müssen chinesischer werden“, sagt Prof. Dr. Dr. Hermann Simon als Aufforderung an Unternehmen und Anwender. „Die Mentalität der Anwender [in China ist beeindruckend]: First move, then prove. Also erst einmal handeln und dann sehen, was und wie es sich entwickelt“, fügt Olaf Gehrels, coboworx, hinzu.


Das Fazit der langen Nacht des Mittelstandes:


„Wir sind mitten in der Digitalisierung. Man kann stehen bleiben oder mitgehen und mitgestalten. Es gibt aber kein Patentrezept. Man muss offen sein für Neues und: machen!“ So resümiert Matthias Nawrocki, Senior Manager Technology Management, Gira.